Westbams "Mayday-Ausstieg"

Wie Anfang dieser Woche über das Musikportal Noisey bekannt wurde, steigt Westbam bei der Mayday aus. Er zieht damit nach eigenen Aussagen die Konsequenz aus der negativen Entwicklung der Veranstaltung, die er als Erfinder und Mitbegründer Anfang der Neunziger ins Leben rief und die ab 2007 von der Event-Agentur I-Motion GmbH veranstaltet wurde.

Westbam begründet seinen Rückzug von der Mayday und dem Musikprojekt „Members of Mayday“ mit der „menschlichen und künstlerischen Entfremdung“, die in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe. Kritik übt er konkret an der Musikpolitik, die mit der ursprünglichen Idee „Forward ever, backward never!“ nichts mehr zu tun hat. Er bezieht sich dabei auf die strikte Trennung der verschiedenen Musikstile auf unterschiedliche Floors, die keine Innovationen mehr zulässt und nur noch Musik präsentiert, die in das Korsett der jeweiligen Kategorie passt.

 

Desweiteren stört sich Westbam am generellen visuellen Auftritt des Raves. Während man in der Vergangenheit mehr Wert auf das Gesamtkonzept gelegt hat und für das Artwork der Poster/Flyer weltbekannte Künstler engagierte, ist seiner Ansicht nach das künstlerische Niveau deutlich gesunken.

 

Auch mit den Mottos der Veranstaltungen hat Westbam seine Probleme. Während vieles seiner Meinung nach uninspiriert und bestenfalls lustig klingt, empfand er das Motto „Made in Germany“ als absoluten Tiefpunkt. Da die Mayday in Polen jedes Jahr auf den polnischen Unabhängigkeitstag fällt und in Russland jahrelang auf die Feierlichkeiten zum Ende des zweiten Weltkriegs, empfand er den Slogan als großkotzig und absolut unangemessen.

 

Nach der Übernahme von I-Motion durch das börsennotierte US-Unternehmen SFX Entertainment sei Westbam „die Sache nicht sympathischer“ geworden, da nicht davon auszugehen sei, dass der Konzern für irgendwelche Werte eintritt oder die nötige Sensibilität für die europäische Technokultur mitbringt. Letztendlich habe er für sich nun die Konsequenz aus der gesamten Entwicklung gezogen und seinen Hut gezogen. Er reiht sich damit in die lange Liste der Techno-Pioniere ein, die sich aufgrund von idealistischen Gründen aus Projekten verabschieden, die sie maßgeblich mitgestaltet haben.

 

Grundsätzlich ist dieser Schritt konsequent und verdient Respekt. Allerdings hat Mayday-Veranstalter I-Motion gestern auf die Vorwürfe reagiert und einen ganz anderen Grund für Westbams „Ausstieg“ angeführt, der diesen in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Laut I-Motion Geschäftsführer Nik Schär wurde Westbam „schlicht nicht mehr gebucht“. Ist der ehemalige Vordenker der Szene womöglich einfach nur gekränkt?

Laut I-Motion habe Westbam das Zwei- bis Dreifache seiner Gage gefordert, obwohl er schon lange nicht mehr zur ersten Liga der DJs gehöre. Ob Westbam nun völlig überzogene Forderungen gestellt oder I-Motion bewusst ein lächerlich geringes Anfangsangebot gemacht hat, ist offen. Fakt ist, dass die Mayday für viele Besucher ohne Westbam und insbesondere die „Members of Mayday“ nicht vorstellbar ist. Was auch immer der wahre Grund für Westbams Ausstieg ist, so ist zumindest seine Kritik an der Mayday zum Teil berechtigt.

 

Die von ihm kritisierte Aufteilung der Floors nach Stilen ist allerdings die logische Konsequenz einer Entwicklung, die schon Anfang der Neunziger ihren Anfang nahm. Während es in der Anfangszeit der Rave-Ära einen gemeinsamen Nenner Techno/House gab, hat die Zersplitterung der elektronischen Musik in unzähligen Stile im Laufe der Jahre zu eigenen Subkulturen innerhalb der Szene geführt. Fans dieser Stile feiern lieber die ganze Nacht auf ihren favorisierten Sound, als zu große Überraschungen zu erleben. Westbam hat somit sicherlich Recht wenn er davon spricht, dass ein Mischkonzept mehr musikalische Toleranz erlaubt, allerdings ist es fraglich ob dieses in der heutigen Zeit noch von den Besuchern einer Veranstaltung angenommen wird. I-Motion hat die Mayday zu einer Zeit übernommen, in der sie wirtschaftlich nicht mehr funktionierte. Die Neukonzeption des „Ur-Raves“ hat letztendlich innerhalb weniger Jahre die Besucherzahlen deutlich steigen lassen. Der Erfolg scheint I-Motion scheinbar Recht zu geben.

 

Die Kritik am künstlerischen Auftritt der Mayday ist meiner Meinung nach gerechtfertigt. Wenn man sich mal das Artwork und die Mottos sämtlicher I-Motion Veranstaltungen (Nature One, Winterworld, usw.) ansieht, ist ein roter Faden zu erkennen, nämlich Ideenlosigkeit und Kitsch. Nicht selten habe auch ich mich in der Vergangenheit gefragt, was für einen belanglosen Mist man hier wieder kreiert hat. Ein bisschen mehr Innovation und erwachseneres Auftreten würden hier auf jeden Fall gut tun.

 

Es bleibt abzuwarten welche Entwicklung die ganzen Großveranstaltungen nach Übernahme von I-Motion durch den amerikanischen Konzern SFX Entertainment nehmen. Westbams Bedenken zu diesem Thema sind nicht von der Hand zu weisen. Ob ein börsennotiertes Unternehmen mit der obersten Maxime der Gewinnmaximierung im Bereich elektronischer Musik mutige und innovative Entscheidungen trifft wage ich zu bezweifeln. Bleibt nur zu hoffen dass es nicht zu einer Gleichschaltung der Partys kommt und die Besucher in Zukunft nur noch von den David Gettas dieser Welt beschallt werden.

 

Das komplette Statement von Westbam findet Ihr hier.

I-Motions Antwort findet Ihr hier.

Update: Westbams Gegenantwort findet Ihr hier.

 

Erik

 

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